Sonntag, 1. Februar 2009

John Updike (1932 – 2009)








Er war in einem altmodischen Sinn mein Lieblingsschriftsteller, weil er einer war, der einem die Welt so erzählen konnte, daß man sie verstand. Es war zwar eine begrenzte Welt, über die er schrieb, eine Art Updike World, bevölkert von einander ähnlichen Typen des amerikanischen Mittelstands. Aber es war eine Welt, in die man mit jedem Buch neu und gerne reiste und mit der man schnell vertraut war. Trotz ihrer Eigenarten und Grenzen war sie meiner eigenen Welt verwandt, ähnlich der Welt Tolstois mit ihren Fürstenhäusern, die hoch über uns stehen aber doch von uns vollkommen ähnlichen Menschen bewohnt sind.

Updike war in sexuellen Dingen sehr deutlich und detailgetreu. Wenn ich ihm je begegnet wäre, hätte ich ihn als erstes gefragt, warum – aber ich ahne schon, daß er mir von der alten Tradition der Realisten erzählt hätte, zu denen er mit Balzac, Flaubert, Dickens, Tolstoi, Fontane und Thomas Mann gehörte, und die alle sehr bewußt um ihre Glaubwürdigkeit im Herzen des Lesers gekämpft haben. Die hing oft davon ab, ob man das Mobilar eines Wohnzimmers, in das die Hauptfigur des Romans gleich eintreten würde, im Detail richtig beschrieb.

Updike hat statt des Mobilars das Geschehen im Schlafzimmer genau aufgezeichnet und mit seiner Detailkenntnis dem Leser bewiesen, daß er seine Geschichten korrekt erzählte. So ist jedenfalls meine Theorie.

Übrigens gab es bei Updike nicht die Tragödien des Schlafzimmers, die der an dieser Stelle leidgeprüfte Tolstoi hinter allen Tragödien des menschlichen Lebens vermutet hat. Bei Updike wird zwar viel gesündigt, aber es ist eigenartigerweise meist so viel Gnade über dem Geschehen, daß die Sünde nicht Ursache einer Tragödie wird. Das hat sicher damit zu tun, daß Updike ein bewußter Christ gewesen ist, er hat es immer wieder so bekannt.

Er hat als junger Mensch eine einfache Formel* für seinen Glauben gefunden:

1. If God does not exist, the world is a horror-show.
2. The world is not a horror-show.
3. Therefore, God exists.

(Wenn Gott nicht existiert, ist die Welt eine Horror-Show, die Welt ist keine Horror-Show, also existiert Gott.)

Das reicht sicherlich nicht aus, um ein dogmatisches Lehrgebäude darauf zu errichten, aber man kann den Dreisatz gelegentlich als Hausmittel ausprobieren, wenn einem die Existenz Gottes fragwürdig erscheinen will.

Ob der Dreisatz ausreicht um in den Himmel zu kommen, ist eine andere Frage, aber man wünscht es John Updike natürlich, daß er nach seinem Tod am 27. Januar 2009 oben angekommen ist.


Nach katholischem Verständnis könnte dem Protestanten Updike das Zeugnis seiner zweiten Frau den Eintritt erleichtert haben. Sie hat über ihn, der auf den meisten Bildern freundlich lächelt, gesagt, er sei the most goodhearted man in the world, der gutherzigste Mensch der Welt.

Als solchen will ich ihn in Erinnerung behalten.


* zitiert nach seiner Autobiographie "Self -Consciousness" aus dem Jahre 1989, Verlag Knopf, Seite 230

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Meine Idee ist ja, ein wenig abweichend, die, daß uns die großen Schriftsteller, die dann auch unsere Lieblinge werden, die Welt so zeigen, wie wir sie ohne ihre Hilfe niemals verstanden hätten. Bei Updike, zu dem ich keinen leichten Zugang habe, hatte ich jetzt bei der Lektüre von Toward the End of Time zum ersten Mal den Eindruck, er gehört zu dieser Liga, auch weil er nach meinem Eindruck die Frage, ob die Welt nicht doch eine Horror Show ist, offenbar bewußt offen läßt. Das scheint mir bei ihm ausdrücklich auch für die Sexualität zu gelten: Hat sie, wie oft angenommen, ein göttliches Feuer oder ist sie Teil des Horrors.