Freitag, 4. September 2009

Dolomitenmenschen (II)






Das alte Ehepaar aus Seis überholen wir beim Aufstieg zu den Roßzähnen. Daß sie ebenfalls wie wir den steilen Berg hinaufwollen, macht uns Mut. Man kommt also auch in dem langsamen Tempo, das die beiden vorlegen, hinauf auf solche schwindelnden Höhen. Der Mann ist 73, die Frau 68, er ist in Kastelruth geboren und war bis zum Rentenalter Maurer. Ihre beiden Töchter leben in der Nähe von Bozen.

Auf halber Höhe holen sie uns ein, wir machen Pause, sie nicht. Auf dem Gipfel sind sie deshalb vor uns, was uns etwas wurmt. Auf dem Rückweg treffen wir sie wieder, ganz unten, im Bus von der Talstation der Gondelbahn zurück ins Dorf, sehen wir sie dann erneut. Sie kommen, wenn man alles zusammenrechnet, genauso schnell voran wie wir.

Mit ihren braunen Augen und ihren freundlichen, milden Gesichtszügen könnte die Frau eine Schweizerin sein. Auch ihre Sprache erinnert sehr viel mehr an das Schweizerdeutsche als an das Österreichische, das man hier oft hört. Do isch a Murmel, sagt der Mann und zeigt uns ein Murmeltier. Dagegen der feine Österreicher, den wir bei einer Schweinezucht in den Bergen treffen: die sehns joa zaaberhaft aos!

Christiane und ich beschließen, mit Ende Sechzig noch ebenso hurtig in den Bergen unterwegs sein zu wollen wie die alten Seiser, Dieu volant.


Beim Abstieg in das Dorf Saltria am hinteren Ende der Seiser Alm finden wir endlich auch das Denkmal für den Südtiroler Luis Trenker, von dem Wikipedia mitteilt, daß es auf der Seiser Alm sei. Trenker hat während der Aufnahmen zu einem seiner Filme in dem Gasthaus gewohnt, in dessen Garten sein Denkmal steht, und dessen Apfelstrudel wir jetzt genießen.

Ich erinnere mich an seine überschäumende Lebensfreude und seinen an steinigen Felswänden auf Hochglanz polierten Optimismus. Do woar der Berg, un do woar I. Wenn ich die Wahl hätte, mit ihm oder mit Reinhold Messner eine Bergtour zu unternehmen, würde ich mich für den Trenker Luis entscheiden. Hier sitzen wir beiden einträchtig beieinander.



Auch dieser Mann in seiner blauen Schürze strahlt Optimismus aus. Ihm begegnen wir auf dem Marktplatz von Kaltern am Kalterer See, südlich von Bozen, dort ist abends ein Weinfest; und die Winzer des Ortes laden zu einer Weinprobe ein.

Viele Männer in Südtirol haben solchen blauen Schürzen, nicht nur die Weinbauern von Kaltern. Mich freut das, weil auch mir eine solche Schürze schon lange als sinnvolles Kleidungsstück im Haushalt erschienen ist. Wie leicht bekleckert man sich, besonders, wenn man älter wird! Und wie schnell urteilen Jüngere die Älteren wegen solcher Kleckerflecken ab!

Christiane mag die weißen, grünen und grauen Schürzen, die wir zu Hause haben, nicht an mir. Aber als wir in der Kooperative „E & N“ (Erste & Neue Kellerei) in Kaldern Wein kaufen, entdeckt sie im Regal eine blaue Schürze mit „E & N“ drauf und kauft sie mir. Das wird mein schönstes Erinnerungsstück an den Urlaub hier.



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