Samstag, 5. September 2009

Gutes und Barmherzigkeit




Am Ende unseres Urlaubes bleibt ein großes Gefühl von Dankbarkeit. Es ist uns über die Maßen gut ergangen, in allem. Wir haben buchstäblich auf einer grünen Aue gelebt, wie es in den Worten von Psalm 23 heißt.

Nach dessen letztem Vers werden Gutes und Barmherzigkeit dem folgen, der JHWH vertraut. Mir gefällt der alte hebräische Urtext mit seinem tow für Gutes und dem an die Chassiden erinnernden chessed für Treue und barmherzige Zuwendung.

Nun war in diesen Urlaubstagen in den Dolomiten auch viel zu lesen über die Göttlichkeit der Berge und die tiefen Einblicke, die dem gewährt werden, der hoch hinauf steigt. Im Bild ein Teil des Messner Mountain Museums in Schloß Sigmundskron: Ich wollte einmal hoch hinaufsteigen, um tief in mich hineinzusehen (Messner).

Mich hat das alles nicht sonderlich berührt. Es ergibt am Ende kein sinnvolles Ganzes. Messner und seine Kollegen haben nicht tief in sich, sie haben weit vor sich geschaut. Ich bewundere das sehr und sehe es mit viel Respekt. Messner hat vorausgesehen, daß die Bewohner der niederdeutschen Tiefebene seine Berichte von hoch droben begierig verschlingen würden – volle Säle, Fernsehauftritte, Manager-Konferenzen. Vielleicht hat er sogar vorausgesehen, daß er sich eines Tages mit den Messner Mountain Museums halbwegs unsterblich machen würde.

Seine Entdeckungen sind ähnlich wie des anderen prominenten Grünen, Joschka Fischer, der zum Marathonlaufen gefunden und ein Buch darüber geschrieben hat (Mein langer Lauf zu mir selbst) , in dem man allem möglichen begegnet, nur nicht dem Ich des Joseph Martin Fischer. Er hat vermutlich gehofft, dieses Ich als Ergebnis von 20 kg Gewichtsverlust praktisch wie von selbst finden zu können, aber Erkenntnisse über dieses Ich sind nirgendwo im Buch zu finden.

Auch Messner hofft offenbar auf eine Begegnung mit sich selbst, die bei ihm durch Höhengewinn erzielt wird, wo bei Fischer Gewichtsverlust steht. Alles das, was davon in seinen Museen sichtbar wird, ist aber eher diffus und fügt sich nicht zu einem systematischen Ganzen zusammen.

Dagegen führen die Worte des Psalms 23 zu einem Glauben, der von der Erkenntnis des eigenen Ich eher ablenkt und das ewige Du Gottes in den Blick bekommt. Die Barmherzigkeit, die Luther als Übersetzung von chessed gewählt hat, kann nicht gewonnen werden, indem man zu sich selbst findet. Sie entsteht aus einem personalen Gegenüber. Gott ist der erste Chassid, der erste Treue, der einen Bund anbietet und ihn zu halten verspricht. Wir als Menschen dürfen das annehmen, und auf Gottes Huld (so übersetzt es Martin Buber) antworten, indem wir ihm huldigen.

Ich hatte vor etwa 10 Jahren eine Phase in meinem Leben, die ich als Wüste empfunden habe, und von der ich fürchten mußte, daß hinter der Wüste weitere Wüsten folgen würden. Nun lebe ich auf einer grünen Aue. Gutes und Barmherzigkeit folgen mir, folgen uns als Familie.

John Updike hat sein letztes Gedicht vor seinem Krebstod im Januar dieses Jahres mit den Worten aus Psalm 23 enden lassen. Ich stelle die Worte an das Ende dieses Urlaubsblogs.

The tongue reposes in papyrus pleas,
saying, Surely - magnificent, that "surely" -
goodness and mercy shall follow me
all the days of my life, my life, forever.



Keine Kommentare: