Freitag, 28. Mai 2010

Christos Pantokrator







Von den Byzantinern wird gesagt, sie hätten es wie kaum jemand vor oder nach ihnen verstanden, die absolute Form der Herrschaft des Menschen über den Menschen zu kultivieren. Auf byzantinische Weise herrschen heißt, den Herrscher über alles zu erheben und den Untertan notfalls grausam in den Staub zu zwingen.

Es verwundert daher nicht, daß sich schon im Eingang der Hagia Sophia Jesus als Pantokrator, als Weltenherrscher wiederfindet. Im Obergeschoß der Kirche findet sich ein weiteres Porträt von ihm, das ihn näher und persönlicher zeigt. Ich betrachte es lange, es ist für mich das schönste und vollkommenste Portrait in der Hagia Sophia. Was die Frage der Herrschaft betrifft, so entzieht es sich der Unterscheidung von Herr und Knecht, von unten und oben. Man steht Auge in Auge mit einem Herrscher, der keinen Gehorsam verlangt sondern eher ein wenig gedankenverloren wirkt. Nach meinem Eindruck hat er die wehmütige Frage im Blick, ob der Betrachter weiß, durch welche Finsternis er, Jesus, hindurchgegangen ist, um am Ende dieser Kirche zum Glanz zu verhelfen.

Auch die machtbewußten Byzantiner konnten also nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen, was die Bibel über den sanftmütigen König, den niedrigen Eselsreiter sagt. Sein Reich ist nicht von dieser Welt, daran ändert auch alles Gold der Erde nichts, das man in die byzantinischen Kirchen trägt, um sie leuchten zu lassen.

Wunderbar ist der lebendige Hauch einer frischen Röte auf dem Gesicht Jesu. Von dem Punkt aus, von dem man das Mosaik betrachtet - der Kopf Jesu befindet sich etwa 3 m über dem Boden - verschwimmen die Farbpunkte der einzelnen Steinchen zu einem einheitlichen Bild mit feinen farblichen Übergängen. Man wundert sich über die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Künstler über diese "Pixel"- Technik verfügte, deren mathematisch-physikalische Grundlagen er vermutlich kaum kannte.

Unten in der Kirche geht es ebenfalls um Pixel, allerdings in einer Anzahl, die um mehrere Zehnerpotenzen größer ist als die Summe aller Mosaiksteine der Kirche zusammen. Hier fährt eine nach Tausenden zählende Touristenschar ihre Ernte von gewaltigen Mengen Pixel-Gigabytes in die Speicher ihrer elektronischen Geräten ein. Sie werden morgen oder spätestens in wenigen Tagen über die ganze Welt verteilt sein und das Bild der goldenen Kuppel, die schwebt, als sei sie am Himmel aufgehängt, wie die Touristen der Antike staunend weitererzählten, in allen Ländern verbreiten.







Keine Kommentare: