Mittwoch, 14. September 2011

Drei Städte

Das alte Örtchen Klausen unten am Eisack hat eine der insgesamt nur vier Ausfahrten der 85 km langen Brennerautobahn zwischen Bozen und dem Paß. Es ist sozusagen unser Bahnhof, von dem aus wir noch rund 15 km fahren müssen, bis wir oben in Kastelruth ankommen. Gestern sahen wir erstmals die hübsche Altstadt von Klausen, die schon der junge Albrecht Dürer gemalt hat, als er hier 1494 Station auf seiner Italienreise machte. An der Pfarrkirche ist eine Gedenktafel zum Aufstand gegen die Franzosen in 1809 – der Bürgermeister kniet vor zwei Offizieren in ihren dreispitzigen Franzosenhüten, Kanone und Pferde neben sich, und bittet sie (erfolgreich), die Stadt vor Plünderung und Brandstiftung zu bewahren.


Früher einmal wohnte der Bischof hier, bevor er in das wenige Kilometer entfernte Brixen umzog und dort einer der führenden Männer des Deutschen Reiches wurde. Die Bischöfe von Brixen waren für weite Teile der Alpen zuständig und waren den Kurfürsten des Reiches gleichgestellt. Einer von ihnen war der im heutigen Bernkastel-Kues an der Mosel geborene Nikolaus Cryfftz (Krebs), der als „der Kueser“, Cusanus, ein berühmter Kirchenmann und ein noch berühmterer Philosoph wurde. Während meiner Herzkur 2005 in Kues habe ich still in der Kapelle gesessen, in der sein Herz begraben ist, und habe mich – Herz zu Herz sozusagen – gestärkt. Nikolaus Leichnam liegt in Rom. Seine Philosophie habe ich nicht verstanden, da muß mir jemand einmal einen Schlüssel geben. Am Dom in Brixen hängt eine Gedenktafel, auf der Nikolaus seltsam modern in die Welt schaut. Die Leute verehren ihn als eine Art neuzeitlichen Kirchenmanager.

Den Brixener Dom hat Nikolaus bei seiner Amtseinführung 1450 noch als romanische Kirche gesehen, ziemlich genau 300 Jahre später wurde sie abgerissen und durch eine monumentale Barockkirche ersetzt, die man in dieser Pracht mitten in den Alpen kaum erwartet. Allgemein verbindet man mit „Barock“ ein bestimmtes Lebensgefühl, aber ich sehe in den Deckengemälden mit ihren weiten Blicken bis in den Himmel hinein auch ein stolzes Erkenntnisbewußtsein, das dem menschlichen Geist in der nun beginnenden Neuzeit das Überschreiten vieler alter Grenzen ankündigt.

Nach Meran fahren wir über den schönen Jaufenpaß, der unten im Passeiertal sozusagen vor dem Haus von Andreas Hofer, dem „Sandwirt“ endet. Er hat die Bayern dreimal am Berg Isel geschlagen, nachdem diese das ihnen von Napoleon zugesprochene Tyrol mit neumodischen Methoden regieren wollten, wogegen die Tyroler aufbegehrten. Luis Trenker sagt, daß die Stärke von Hofers freiwilliger und selbstbewußter Bauernarmee auch ihre Schwäche war: nach dem Sieg galt es, schnell zum Hof zurückzukehren, wo die Ernte wartete. Derweil konnten die Bayern sich in Ruhe neu organisieren und wenig später wieder angreifen.

Der umtriebene Napoleon hat 1809 die Erschießung Hofers selbst angeordnet, später aber dem österreichischen Kaiser eine völlig andere Version erzählt und den Tod Hofers wortreich bedauert (so erzählt es Luis Trenker).

Neben dem Sandwirt ist ein kleines Museum, in dessen Souvenirladen es schöne Tyrolerhüte nach der Art des Hofer Andreas gibt. Sie stehen mir gut (meine ich, Foto folgt), aber meine Frau möchte nicht neben so einem Bauern herlaufen, wie ich mit dem Hut einer bin. Also entfällt der Einkauf, der mir mit seinem Preis von nur € 20,- sehr wohlfeil erschienen war.

In Meran wollen wir aufgrund einer kleinen Magenverstimmung Talcid kaufen. Nein, sagt der Apotheker, das gäbe es hier nicht, und verkauft uns Alka Seltzer, das in Wirklichkeit, sagt er, Rennie ist. Als ich erwähne, daß die Mannschaft von Bayer Leverkusen jahrelang auf den Trikots Werbung für Talcid getragen hat, macht der Apotheker eine wegwerfende Bewegung. Die Mannschaft mag er nicht. Aber auch Dortmund und den AC Mailand (alle drei Mannschaften spielen heute in der Champions League) liegen ihm fern. Ja, mit welchem Verein bitte kann ein Südtiroler sich denn identifizieren, frage ich. Mit den Bayern! Das überrascht mich – hat nicht Andreas Hofer gegen sie gekämpft? Nein, die Bayern sind stammesverwandte Menschen, wie alle Süddeutschen. Auch für den VfB Stuttgart kann der Südtiroler Sympathie empfinden. Weiter nördlich fängt dann ein anderer Menschenschlag an, Wikinger, vermute ich.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Seine Philosophie habe ich nicht verstanden, da muß mir jemand einmal einen Schlüssel geben - er ist offenbar der Lieblingstheologe seines Namensvetters Niklas L.