Sonntag, 4. Dezember 2011

Zehn kleine Unsinnigkeiten (Zusammenfassung aus meinen Facebook-Posts)


In Facebook habe ich im Oktober 2011 zehn kurze Weisheiten veröffentlicht, jeden zweiten Tag eine, im November dann die hier gleich nachfolgen Unsinnigkeiten, sozusagen als Gegenprogramm. Beide sollen auf ihre Art Zeugnis davon ablegen, dass Weisheit und Unsinn sich wie Planeten um eine helle Sonne drehen, die unser Leben mit Licht und Wärme erfüllt.

(I)
Ich habe mein Leben lang daran geglaubt, daß die Welt voller Sinn ist. Sie ist die Schöpfung Gottes und hat von ihm Ziel und Sinn erhalten. Es klingt paradox, aber gerade die großen Meister des Unsinns haben mir immer wieder die Sinnhaftigkeit der Welt bestätigt. Man kann intelligente Systeme nur dann krachend und zum Gelächter aller einstürzen lassen, wenn sie zuvor randvoll mit Sinn waren.
 Beginnen soll
Woody Allen (*1935): I hate reality but it's still the best place to get a good steak.
Ich hasse die Realität, aber sie ist immer noch der beste Platz, um ein gutes Steak zu bekommen.
(II)
Mit einer Verbeugung vor dem großen Meister des Nonsense.
Robert Gernhardt (1937 - 2006):

Kafka sprach zu Rudolf Steiner:
"Von Euch Jungs versteht mich keiner!"
Darauf sagte Steiner: "Franz,
ich versteh Dich voll und ganz!"


Wenn man zwei berühmte Namen, hoch angereichert mit schwerster Bedeutung, so ungebremst aufeinanderprallen lässt wie hier, dann entsteht eine Explosion und ein Loch, durch das freie Luft strömt. Ich kann an keiner Waldorfschule vorbeigehen, ohne an dieses Gedicht zu denken und sogleich Abstriche am heiligen Ernst ihrer Betreiber zu machen.

 
(III)
Für die Jüngeren erklärt: hier kommt ein Komiker aus der Zeit, als die Filme langsam auch Töne erhielten. Er wurde als Julius Henry Marx geboren, Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer. Als „Groucho“ hat er zusammen mit seinen „Marx Brothers“ die Kinos der 20er und 30er Jahre mit skurrilem Humor durcheinander gewirbelt.
Groucho Marx (1890 – 1977): Behind the Alps are more Alps.

Ein im Leben immer wieder hilfreich anwendbares Wort. Ich habe es besonders auf Wanderungen mir und anderen immer wieder gerne gesagt. Ich habe es mir dabei etwas vereinfacht, als Wanderversion sozusagen. Das vollständige und korrekte Original stammt aus einer uralten Marx-Brothers-Show, in welcher Groucho als Napoleon sich anschickt die Alpen zu überqueren und sich theatralisch von Josephine verabschiedet:
Farewell, my Queen. Beyond the Alps lies more Alps, and the Lord ‘Alps those that ‘Alps themselves. Vive la France!
(IV)
Den Münchner Sprachverwirrer brauche ich nicht vorzustellen, oder?
Karl Valentin (1882 – 1948): Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist.
Das ist in seiner Unsinnigkeit schon wieder ganz nahe an der Wahrheit.
(V)
Hier kommt nun das Frankfurter Comedy-Duett „Badesalz“ mit einem Sprechgesang, einem „Rap“, der den billigen Gebrauch modern-heiliger Worte wie „Em-mo-tion“ und „Solidarität“ sehr schön entlarvt.
Henni Nachtsheim (* 1957) und Gerd Knebel (*ca. 1950):
Denn wer Emotionen wie im Krieg vermient
Hat den Solidaritätszuschlag nicht verdient
(VI)
Der teilweise pathetische Nonsens von Garrison Keillor (* 1942 in Lake Wobegon, Minnesota, jedenfalls erzählt er immer, das sei seine Heimatstadt) verliert leider einen Teil seiner Wirkung, wenn man ihn übersetzt. Ich will es trotzdem mal versuchen, Keillor erzählt hier von einer Reise nach Oslo, der Heimat seiner Vorfahren:

Du sitzt in einem Straßencafé, die Sonne scheint, und du ißt dein offen belegtes Sandwich, und große blonde Frauen gehen vorüber, denen du, wenn sie sich umdrehten und sagten „Folge mir“, folgen würdest, sie halten dein Leben in ihren Händen, aber offenkundig wissen sie das nicht, und sie fordern dich nicht auf, ihnen zu folgen, und sie gehen die Straße hinunter, vorbei am Tabakgeschäft, am „Biograf“ und der „Apotek“ und du vergisst sie nie.
You sit in an outdoor café, the sun shining, and eat your open-face sandwiches and tall blonde women walk past who if they turned to you and said, "Follow me," you would follow, they hold your life in their hands, but evidently they don't know this, and they don't ask you to follow them, and they walk down the street past the tobacco shop and the Biograf and the Apotek and you never forget them.
(aus Keillors Radioshow vom 13.Mai 2006, die Show läuft seit 1974) 
(VII)
Von den modernen Comedians kann kaum einer seine Geschichten so schön aufbauen und dann einstürzen lassen wie Helge Schneider.  Über Jahre haben mich einzelne Worte aus seiner kleinen Szene begleitet, in der er das Leben seines Aquarium-Haifisches erzählt, der nach und nach gegen die Wände des Aquariums gewachsen ist und jetzt genau die quadratischen Formen seiner Behausung angenommen hat.
Dieses Aquarium wird von Helge Schneider in dem sachkundigen und jeden Zweifel ausschließenden Tonfall beschrieben, der in deutschen Heimwerkermärkten vorherrscht.
Helge Schneider (*1955): Es ist 40 mal 40 mal 40 tief.
Helge Schneider zieht hier der bräsigen Fachmannsprache den Stöpsel und läßt ihr die Luft heraus. 
(VIII)
Der Meister soll hier ein zweites Mal zu Wort kommen.
Robert Gernhardt (1937 - 2006): Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.
Ich habe gehört, dass dieses Wort mittlerweile in Stabsbesprechungen großer Behörden als Teil einer ernsthaften Argumentation akzeptiert wird. Bei diesem Wort ist es die durch den Reim plötzlich möglich scheinende Verwandlung von Elchen, welche die an sich alltägliche Aussage „Du hast früher ganz anders geredet als heute!“ ins Unsinnige wendet. 
(IX)
Unsere erste Begegnung mit dem Unsinn ist der erste Witz, den man uns erzählt. Meiner spielte in Köln – wo sonst? – und ging so:
Tünnes sitzt am Rhein und heult.
„Was ist denn mit dir?“ fragt ein mitleidiger Passant.
„Der Schääl hat mein Butterbrot in den Rhein geworfen.“
„Mit Absicht?“
„Nää, mit Stinkkääs.“
Was ist dein erster Witz, an den du dich erinnerst, mein verehrter Leser?
(X)
Zum Schluss etwas, das ich als unsinniges Lebensprinzip gewinnbringend angewendet habe.
Der bereits zitierte Groucho Marx soll das Folgende an den Golf-Club geschrieben haben, in dessen Nachbarschaft er ein neues Haus bezogen hatte, und der ihn als Mitglied gewinnen wollte.
Groucho Marx (1890 – 1977): I don't care to belong to a club that accepts people like me as members.
Ich mache mir nichts daraus, zu einem Club zu gehören, der solche Leute wie mich als Mitglieder akzeptiert.
In den 80er Jahre habe ich mir diesen Satz leise vorgesagt, während ein feiner Herr der Remscheider Wirtschaft mir die Mitgliedschaft im örtlichen Rotary-Club antrug. Danach habe ich freundlich dankend abgelehnt und später gefunden, dass es die richtige Entscheidung war.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Ich denke, der Valentinspruch erfaßt ganz unvermittelt eine sehr tiefe Wahrheit. Schlimme Situationen können vorübergehen, da sie nicht gebührend wahrgenommen werden. Verlassen kann man sich darauf aber nicht.

Den zweiten Gernhardtspruch gibt es zur Auflockerung bekanntlich auch in der Molchvariante.