Montag, 30. Januar 2012

Abschied, und ein Traum

Am letzten Tag sehen wir staunend einen riesigen Regenbogen, der sich von der Jerusalemer Altstadt über den Ölberg bis in die judäische Wüste wölbt. Zunächst endete er nach links genau auf der im Schatten liegenden Kuppel des Felsendoms (Bild links) , dann, als die Wolken sich weiter verzogen, wanderte er ein wenig nach rechts und korrespondierte wunderbar mit dem jetzt hell glänzenden Gold der Rundung (Bild weiter unten), unter der sich der nackte Fels befindet, von dem aus nach muslimischem Glauben der Prophet Mohammed für eine Nacht in den Himmel entrückt wurde. Die Juden vermuten den alten Platz des Allerheiligsten hier, alle drei Religionen des Buches nehmen an, dass ihr gemeinsamer Stammvater Abrahams hier das in letzter Sekunde verhinderte Opfer seines Sohnes Isaak vollziehen wollte.
Mittlerweile sind wir wieder sicher in Deutschland angekommen und haben es uns in unserem Haus warm und bequem gemacht. Nach zehn Tagen Leben aus dem Koffer setzt auch im schönsten Urlaubsland das Heimweh ein – nach der eigenen Dusche, nach der größeren Auswahl an Schuhen, die einem zuhause die rechte Einstellung auf das mißliche Wetter erleichtern, nach Brot und Wein der Heimat, nach der Sicherheit, in der eigenen Sprache leben zu dürfen.

Sonntag, 29. Januar 2012

Sprache



Dass ich vor sieben Jahren an der kirchlichen Hochschule in Wuppertal einen Kurs in biblischem Hebräisch absolvieren durfte, sehe ich als einen tiefen, mich glücklich machenden Einschnitt in meinem Leben an. Leider muss ich allerdings sagen, dass meine Kenntnisse hier in Israel gar nicht so sehr helfen, denn die meisten Straßenschilder wiederholen den Inhalt auch in lateinischen Buchstaben (und immer auch in arabischen), die Speisekarten und vieles andere mehr sind mehrsprachig – und wenn dann doch einmal ein Geldautomat ausschließlich hebräische Buchstaben auf den Bildschirm bringt, dann hilft mir mein „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ auch nicht weiter.

Samstag, 28. Januar 2012

Rabbi Teitelbaum


Das nebenstehende Foto zwier orthodoxen Juden habe ich aus dem Internet. Im Gegensatz zu allen anderen Bildern hier in der Israel-Serie habe ich kein Bild dieser Art selbst aufgenommen, obwohl es Gelegenheiten genug gab, einen der schwarzgekleideten Herren zu fotografieren.  Ich bezeichne sie respektvoll für mich selbst als Rabbi Teitelbaum und würde es nie wagen, das Auge einer Kamera direkt auf sie zu richten. Vermutlich würden Sie nicht einmal etwas dagegen sagen, aber ich möchte die Aura des Besonderen, die sie umgibt, nicht stören.

Freitag, 27. Januar 2012

Yad Vashem


Das Museum der Geschichte des Holocaust ist ähnlich geordnet, entlang einem Zeitstrahl, wie das Museum der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands in  Bonn. Die beiden Häuser würden nahe aneinandergesetzt sogar zueinander passen, denn das Ende des einen, die Zerstörung Deutschlands und die Befreiung der Juden, ist der Anfang des anderen. Sie passen darüber hinaus noch aus einem tieferen Grund zueinander: beide erzählen die Geschichte Deutschlands.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Er hat alles wohlgetan

Die Synagoge in Kapernaum ist der einzige Ort auf der Welt, an dem man archäologisch nachweisbar sagen kann, daß man sich wenige Meter von einem Platz entfernt aufhält, auf dem Jesus mit Sicherheit gestanden haben muß. Er hat in dieser Synagoge gepredigt, das berichten die Evangelien, und man hat die Synagoge vor einigen Jahren unter den Ruinen eines römischen Tempels (in dem ich hier sitze) wiedergefunden und eindeutig als solche identifiziert. Verglichen mit dieser Synagoge stehen die Kirchen über dem Fels von Golgatha, über dem Stall von Bethlehem und über vielen anderen Erinnerungsstellen nur der Tradition nach fest an ihrem jeweiligen Ort, auch wenn diese Tradition sicher vielfach richtiges Wissen festgehalten hat.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Palästina


„How do you like it?“ fragt mich Mohammad, als wir das Gartengrundstück seines Vaters Chalid mit dem großen, 1985 gebauten Haus darauf betreten. Ich sage: „It is like Istanbul 1971“, und erzähle ihm von meinem damaligen Bankpraktikum in der Türkei.  Und tatsächlich erinnert mich alles hier in Palästina, besonders das bunte Leben und Treiben am Taxibahnhof von Jenin, von dem aus wir unsere Fahrt ins Heimatdorf von Mohammad antreten, an die fröhlichen und für meine europäische Augen immer etwas chaotisch wirkenden Zustände in der damaligen Türkei.  

Dienstag, 24. Januar 2012

Die Stadt Jesu



See Genezareth von unserem Balkon aus gesehen
 

Viele moderne Bibelausleger nehmen an, dass die Berichte über das Leben Jesu erst viele Jahre später verfaßt wurden und entsprechend ungenau sind. Diese Ausleger suchen im Neuen Testament deshalb keine in sich geschlossenen Erzählungen, sondern nur noch einzelne Jesusworte, von denen sie annehmen, dass sie aufgrund ihrer Einzigartigkeit echte, unverfälscht tradierte  Originalzitate sind.

Montag, 23. Januar 2012

Im Hotel



Wenn man eines fernen Tages unsere Kultur anhand von Ausgrabungen rekonstruieren würde, die sich mit einem Hotel wie unserem „Riviera“ in Eilat beschäftigten, dann käme wohl als Ergebnis eine Täuferkultur heraus, die ihre Kultstätten oder Wohnanlagen um ein zentrales Wasserbecken gruppierten und in den vielen kleinen angrenzenden Zimmerchen vermutlich Mönche untergebracht hatten. Ganz falsch wäre diese Rekonstruktion nicht, denn es geht tatsächlich etwas Sakrales von dem blauen Pool aus, der am Abend unserer Ankunft glatt und heilig wie ein unberührbares Wesen inmitten der dreigeschossigen Häuser liegt, die ihn in Gruppen schweigend umstehen. Mallorca-unerfahren wie ich trotz meines fortgeschrittenen

Sonntag, 22. Januar 2012

In der Wüste



Wenn der Messias um das Jahr 1950 herum nach Israel gekommen wäre und sich dort nach den Wünschen des Staatsgründers David Ben Gurion gerichtet hätte, dann wäre er vermutlich als Wasserbauingenieur erschienen. Ben Gurion, der die letzten Jahre vor seinem Tod im Jahre 1973 in der Wüste gelebt hat, träumte von einem die Wüste beherrschenden und fruchtbar machenden Volk Israel. Am Eingang der Ben-Gurion-Universität, die unweit von seinem Grab (Foto rechts) in Sede Boqer gelegen ist, mitten in der Negev-Wüste, steht Ben Gurions Vision in Stein gemeißelt:
We shall bloom the desolate land and convert the spacious Negev into a source of force and power, a blessing for the state of Israel.

Samstag, 21. Januar 2012

Engelszungen auf dem Davidsstern


Die sternförmige Kreuzung von Allenby-, King Georg- und Sheinken-Street im Herzen von Tel Aviv wird „Davidsstern“ genannt. Hier treffen wir auf eine etwa 30 Personen starke Gruppe von jungen Koreanern, die in zwei konzentrischen Kreisen um einen kleinen inneren Zirkel versammelt ist, in dem ein stämmiger Mann in einem hellen Hemd laut und schnell betet. Er stößt die Worte wie ein extatischer Prediger aus, drängend, bestimmend, seiner Sache sicher. Die Umstehenden quittieren sie mit zustimmenden Lauten, einige Männer haben die Hände zum Himmel erhoben, Mädchen weinen.

Kibbuz Schefajim


Die ersten Siedler haben hier um 1935 die Dünenlandschaft am Meer als die „kahlen Höhen“ (schefajim) aus Jesaja 41, 18 identifiziert, auf denen Gott am Ende der Zeiten „Ströme öffnen“ wird.  Das Land ist der holländischen Küste um Domburg herum ähnlich, nur dass die Dünen eine echte Steilküste bilden („Don’t fall oft he cliff!“) und zur Landseite hin nicht gleich wieder abfallen, sondern recht weit ins Hinterland hinein reichen. Das Kibbuz-Dorf mit der großen, jetzt im Winter nur von wenigen Gästen bewohnten Hotelanlage liegt oben auf der Dünenlandschaft und bietet von vielen Punkten schöne Ausblicke aufs Meer. Die haben die Holländer, die sich schutzsuchend hinter die Düne ducken, nicht.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Der sorgenvolle Reisende



Im Kibbuz Schefajim, nördlich Tel Aviv

Ein Weg wie der heutige, von Remscheid hierher, ist bei mir immer mit unverhältnismäßig vielen Sorgen gesäumt. Was kann an einem solchen Reisetag nicht alles schiefgehen! Gestern Abend habe ich fast eine Stunde damit verbracht, über das Internet ein Ticket für die Eisenbahn zum Düsseldorfer Flughafen zu bekommen, leider vergeblich. Ich blieb danach mit vielen Fragen allein: würde ich morgens um 4.30 Uhr auf dem eiskaltem Bahnhofsgelände einen intakten Fahrscheinautomaten finden? Was wäre, wenn nicht, die Konsequenz einer Schwarzfahrt, bei der ich erwischt würde? Handschellen, Erst-mal-mit-auf die Wache, Leibeskontrolle? Kann man verspätete Flüge ohne Zuschlag umbuchen, besonders, wenn man reisetechnisch sozusagen vorbestraft ist? Fragen über Fragen.
An solchen Tagen beneide ich die Dauerreisenden, die routiniert und ganz entspannt in Turnschuhen und Jogging-Hosen nach Rio de Janeiro fliegen und immer den Blick aufgesetzt haben „das mache ich jeden Tag so.“ Im nächsten Leben werde ich auch ein solcher Dauerreisender, mich hat es ja eigentlich immer in die Welt hinaus getrieben, ich gehöre von Natur aus zu diesen Leuten!
Die Frage ist nur, ob mich nicht gerade dieser elende Sorgengeist, der mich lange Checklisten aufbauen, verwerfen und wieder neu beginnen lässt, von Anfang an daran gehindert hat (und wieder neu hindern würde, könnte ich mein Leben wiederholen), häufiger mal einen Zug oder ein Auto zu besteigen und einfach weit ins Land hinaus zu fahren.
Ich gestehe meine Feigheit: wenn es einmal geschah, dass eine Reise im letzten Moment abgesagt werden musste, dann bin ich wie ein Kind zur Weihnachtsgabe froh ins Haus zurückgeeilt und habe mein Bett, meine Dusche, meinen Sessel wie das neugewonnene Ziel einer wunderbaren Reise bestaunt.
Heute nun aber Tel Aviv! Alles hat geklappt, das Kibbuz-Hotel ist schön, es liegt auf einer großen Sanddüne am Meer, welche an die große Düne zwischen Westkapelle und Vlissingen in Zeeland / NL erinnert. Nur dass es hier nicht nach Fritten riecht.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Eine Begegnung der Dritten Art

Noch etwas von unserer ersten Reise, bevor morgen die neue Reise beginnt:
Qumran, 9.Januar 1999


Dies schreibe ich von einer windgeschützten Stelle in den Felsen oberhalb von Qumran. Die Israelean National Parks Authority hat hier einen Wanderweg angelegt, der sich wie ein Alpenpfad in die Berge hochwindet. Es ist alles genau wie in der Schweiz, sogar die Wegmarkierungen sind hier dreigestreift auf die Steine am Wegrand gemalt, nur dass der mittlere Streifen grün ist statt rot – und dass die Vegetation bereits kurz über der Talsohle aufhört.

Dienstag, 17. Januar 2012

Jesus in Jaffa


Tagebuch von vor 13 Jahren:
Tel Aviv, 5.Januar 1999
(unser allererster Abend in Israel)

Vor unserem Hotel liegt die Uferpromenade. Blickt man von dort nach Süden, dann sieht man in einiger Entfernung einen ins Meer ragenden Felssporn - Jaffa, den älteren Teil von Tel Aviv. Der Weg dahin ist nicht allzu weit, er führt immer am Meer entlang, durch Parks, in denen auch an diesem dunklen Januar-Abend die Zikaden zirpen, oder auch direkt über den Sandstrand. Man hat nach wenigen Schritten und Atemzügen den vertrauten Mittelmeer-Geruch in der Nase, der hier ganz ähnlich angeweht wird wie in Marseille, Venedig oder Istanbul.

Montag, 16. Januar 2012

Mein Weg zu Mohammad in Dschenin





Noch ist nicht sicher, ob Christiane und ich Mohammad am kommenden Dienstag in Dschenin treffen können. Er steckt mitten im Examen und hat unmittelbar danach eine Reise nach Tunesien geplant. Aber er hat über Facebook geschrieben, dass er sich ein oder zwei Stündchen freimachen will, auf jeden Fall. Nun hoffe ich außerdem, dass der freundliche Herr Zoar Berg, der auf israelischer Seite für eine gebietsübergreifende Entwicklungsagentur arbeitet, uns auch einen Weg durch die Grenzanlagen weisen wird. Wir schauten uns vorgestern den Film Das Herz von Dschenin an und fanden die Tore und Schleusen doch recht ehrfurchtgebietend.



Sonntag, 15. Januar 2012

Flugübungen mit Google Earth



Gerne würde ich auf dieser Reise das schmale Tal zwischen den beiden Bergen Garizim und Ebal im Norden Palästinas besuchen. Ich habe die Stelle in der Vorbereitung schon ein paar Mal mit Google Earth überflogen (siehe obiges Luftbild) und möchte jetzt nur zu gerne sehen, wie sich die Wirklichkeit darstellt. Im 5. Buch Mose erhält das Volk Israel von Gott die Anweisung, sich an dieser Stelle im Tal zu versammeln, um von den beiden Bergen links und rechts abwechselnd Worte des Segens und Worte des Fluchs zu hören.

Samstag, 14. Januar 2012

Israel 2001 – Israel 2012


 
Unsere Reise unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von unserer letzten Israel-Reise im Jahre 2001. Da sind zunächst meine 2005 neu erworbenen Kenntnisse in (Alt-) Hebräisch, mit deren Hilfe ich jetzt zumindest die Schilder auf den Straßen entziffern kann.

 בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ׃
(oben: die ersten Worte der hebräischen Bibel)

Freitag, 13. Januar 2012

Israel, Palästina und meine muslimischen Freunde



Meine muslimischen Freunde (rechts: einige davon, vor dem Fernseher, bei einem Fußballspiel Türkei - Deutschland) haben mich in der Vergangenheit immer wieder einmal gedrängt, Partei für Palästina zu ergreifen. Das habe ich zwar prinzipiell zu umgehen versucht, bekenne aber, daß ich mit den Wünschen und Ermahnungen von Freund Necattin und anderen im Nacken die Reise ins heilige Land anders angehen werde als die früheren Reisen in 1999 und 2001. Ich habe über das Internet Kontakte zu Palästina gesucht und zu meiner großen Freude Menschen kennengelernt, die ihrerseits Kontakte über die Grenzen hinweg finden wollten und sich deshalb YALA angeschlossen haben, einer Plattform, die Facebook speziell für den Dialog zwischen jungen Palästinensern und jungen Israelis geschaffen hat.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Gebietsentwicklung über Grenzen hinweg


Unsere Reise nach Israel und Palästina soll nicht durch Probleme an Grenzübergängen behindert werden. Deshalb frage ich bei Yoram Ehrlich, unserem auf Israel spezialisierten Reiseveranstalter in Saarbrücken nach und bekomme von ihm zu meiner Überraschung den Link zu einer Gebietsentwicklungsagentur in Gilboa, welche Gewerbeansiedlung und Tourismus in Gilboa und Jenin fördert. Nun liegen die beiden Städte allerdings nördlich und südlich des „fence“ zwischen Israel und Palästina, Gilboa also in Israel und Jenin in den Palästinensergebieten. Eine Kooperation zwischen Feinden? Ich werde mehr darüber erfahren und dann berichten.

Montag, 9. Januar 2012

Celalettins Lied


Ein Staubkorn bin ich im Sonnenlicht.

Die Sonne bin ich in ihrer Kreisbahn.

Zum Staubkorn sage ich: „Halt!“

Zur Sonne: „Weiter! Bleibe nicht stehen!“

Samstag, 7. Januar 2012

Eine Rede zwischen den Kulturen


Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Besucher der Ausstellung von Mirza Odabaşı, liebe Angehörige, liebe Freunde,
  
Der Philosoph Ernst Bloch hat 1963 über seine „Tübinger Einleitung in die Philosophie“ die folgenden Worte geschrieben:

Ich bin.
Aber ich habe mich nicht.
Darum werden wir erst.

Diese Worte sind meiner Generation, die in den sechziger Jahren ihre Jugend verlebt hat, als ein dunkles Rätsel erschienen, aber auch als eine Verheißung, deren Inhalt man eher erfühlen als klar erkennen konnte.