Montag, 10. September 2012

Nachsommer

Jabel und Remscheid, 10. September 2012

Der letzte Urlaubstag ist ungewöhnlich warm. Wir fahren die rund 600 km von Mecklenburg zurück nach Remscheid bei durchgängig 25 bis 28 Grad Celsius auf dem Außenthermometer unseres Autos. Auch die vorige Nacht war warm, man konnte bis spät vor dem Wohnwagen sitzen und in die Sterne sehen. Am Morgen dann ein ungewöhnliches Schauspiel: während sich über den Wäldern und dem Schilf am anderen Seeufer die ersten roten Streifen am Horizont zeigen, stehen darüber am Himmel die Venus, der Mond als schmale Sichel und Jupiter im gleichen Abstand nebeneinander, wie Perlen auf eine Kette gereiht. Und unter der Kette erhebt sich das schöne, aber immer an den Winter erinnernde Sternbild des Orion langsam über den Horizont. Bald wird es die ganze Nacht über zu sehen sein und den südlichen, dann kalten Himmel beherrschen.


Ich gehe schlaftrunken hinüber zu dem kleinen Sandstrand von Jabel, der durch die riesige Birke, die ihn beschattet, einen eigenartig nordländischen Zauber hat und betrachte bewegt das Naturschauspiel.

Der verehrungswürdige Vater der Romantik, Joseph von Eichendorff, hat einmal in einer eigenartigen Wendung zu einer Art von romantischer Askese geschrieben

Jedes Weltkind sollte wenigstens jeden Monat eine Nacht im Freien einsam durchwachen, um einmal seine eitlen Mühen und Künste abzustreifen und sich im Glauben zu stärken und zu erbauen.
Ich habe noch nie in meinem Leben die Willenskraft für diese nächtliche Übung aufgebracht, aber in Momenten wie dem von heute Morgen bekomme ich immer eine Ahnung von der Kraft der wach durchlebten Nacht.
Mittlerweile sind wir wohlbehalten in Remscheid angekommen. Ein paar Regentropfen begrüßten uns, aber das Wetter ist auch hier immer noch warm. Ich schreibe dies im Garten unter der Pergola sitzend und lausche dem Plätschern unseres kleinen Brunnens, der uns ab heute wieder das leise Schlagen der Seewellen ersetzen muss.

Die Aussicht allerdings, ab morgen wieder wenige Meter neben einer guten Dusche aufzuwachen und keine Münze einwerfen zu müssen, um für vier Minuten warmes Wasser zu erhalten, hat mir den Abschied vom Paradies am Jabelschen See etwas leichter gemacht.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

... das Plätschern unseres kleinen Brunnens, der uns ab heute wieder das leise Schlagen der Seewellen ersetzen muß - wir sind unserem Nachbarn dankbar dafür, daß er ein ähnliches Brünnlein unterhält. Er ist gerade aus einem Ferienaufenthalt in Sachsen zurück, und ich fürchte, er hat es noch nicht wieder angestellt. Karge wasserlose Zeit.