Montag, 26. August 2013

Archaische Tage (II)



Cemele, bei Kırşehir

Von den Männern auf der Hochzeit tragen eine ganze Reihe eine Pistole mit sich herum, von der sie bei bestimmten Gelegenheiten, etwa der Ankunft der Braut, auch ausgiebig Gebrauch machen und lange, knatternde Salven in die Luft schießen, mit scharfer Munition, nicht mit Platzpatronen. Einige Gewehre sind vorhanden, Schrotflinten und andere, mit denen schießt man schräg nach oben, man muß sie ja fest an der Schulter anlegen, und feuert in Richtung des unbewohnten Geländes hinter dem Haus.

Nichts stärkt die Sicherheit im Auftreten eines Mannes mehr als die Schusswaffe am Gürtel, das läßt sich hier gut beobachten. Ich sehe, wie der Brautvater seinem Sohn kurz vor der Abfahrt zum Haus der Braut eine Pistole zusteckt, die dieser mit einem kurzen Griff im Rücken unter dem Gürtel verschwinden läßt und seinen marineblauen Anzug darüber wieder schließt. Er wird Freudenschüsse damit abschießen, nicht mehr, aber es ist für mich auch eine Steigerung des Nietzsche-Wortes in dieser Bewaffnug, wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht. Wollen die Frauen uns nicht letztlich alle als Eroberer?

Ich mache mich unbeliebt und breche ab. Übrigens finden auch die türkischen Frauen das ohrenbetäubende Geknatter offensichtlich als störend und schimpfen laut auf die schießenden Männer ein. Dass sie relativ sorglos in Gegenwart vieler Kinder mit den scharfen Waffen herum hantieren, empfinden sie als sträflich. Lange wird diese Männerwelt ihr Spiel nicht mehr treiben dürfen, auch in Anatolien nicht.

Wenn ich mich mit einem der vielen Gäste bekannt mache, sage ich in der Regel "ich bin Christian, ich bin Deutscher". Das verstehen manche falsch, denn "ben christian'im" heißt auch "ich bin Christ". Hüseyin, der Vater der Braut, versteht mich in diesem Sinn und sagt, etwas abwehrend, ach, wir sind alle dieselben Menschen. Ich muss schnell korrigieren: benim adım Christian (ve ben hıristian'ım), mein Name ist Christıan (und ich bin ein Chrıst). Dass meine Frau außerdem Christiane heißt, wird als folkloristisches Element mit freundlichem Interesse aufgenommen.

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